Zwei Frankfurter auf der „Arche Noah“
Mechthild und Horst Schmidt haben sich in Haßlach bei Teuschnitz einen Lebenstraum erfüllt. Mit viel Liebe und Sinn für Handwerk, Kunst und Krempel haben sie dort ihre ganz eigene, zauberhafte Welt geschaffen.
Nach dem biblischen Buch Genesis war die Arche Noah eine Art schwimmender Kasten, mit dem Noah nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Frau und weiterer Familienmitglieder rettete. Die Naturalisten fügten im 16. Jahrhundert zur Ausstattung der Arche Getreidemühlen und Backöfen hinzu; im 17. Jahrhundert wurde die Besatzung um Tiere erweitert. Wenn man sich ein bisschen mit der Geschichte von Mechthild und Horst Schmidt beschäftigt, spätestens aber, wenn man ihr Anwesen in Haßlach bei Teuschnitz betritt, dann versteht man, warum die Schmidts ihr Zuhause liebevoll „Arche Noah“ nennen.
Vor 44 Jahren ist Horst Schmidt (72) das erste Mal in den Frankenwald gekommen. Beruflich bedingt. Damals war er für einen großen Schweizer Konzern mit Sitz in Frankfurt am Main tätig. Verliebt hat er sich spontan in die Mittelgebirgslandschaft und in die Menschen, die hier leben. Seiner Frau Mechthild (71) sei es ebenso ergangen, sagt Horst Schmidt. „Wir haben hier sehr schnell tiefe Freundschaften geschlossen.“ Lange Jahre war Mechthild Schmidt für namhafte Schmuckunternehmen im Bereich Marketing tätig, hat aufwändige Schaufensterdekorationen entworfen und hergestellt, Werbebotschaften entwickelt und war international unterwegs. Zehn Jahre lang haben die Schmidts mit ihren beiden Kindern die Wochenenden in Oberfranken, vorzugsweise in Haßlach, verbracht. Schnell war den Frankfurtern klar, dass der malerische Ort mehr für sie ist, als nur ein Feriendomizil. Sie erwarben ein kleines Holzhäuschen, das einmal als Flüchtlingsheim gebaut wurde, und machten es im Laufe der Jahre nach und nach bewohnbar. 1994 war es dann soweit: Das Ehepaar fing nochmal ganz von vorne an. „Nach all dem hektischen Großstadtleben und dem jahrzehntelangen Berufsstress wollten wir jetzt wieder richtig leben, auftanken, Kraft schöpfen und die Dinge tun, die uns Freude machen: Kunst betrachten, Kunst schaffen, die Natur genießen, Neues entdecken“, sagt Mechthild Schmidt. „Und dafür ist der Frankenwald mit seinen angrenzenden Regionen wie gemacht.“
Die beiden Hessen haben in Haßlach ihre eigene, zauberhafte Welt geschaffen. Und die scheint auf den ersten Blick vor allem aus Katzen zu bestehen. In dem rund 1.500 Quadratmeter großen Garten wimmelt es geradezu von den unterschiedlichsten Katzenwesen: schwarze, weiße, blaue, rote, gefleckte, einige mit weißen Pfoten; manche spielen Instrumente, Geige oder Flöte. Der Hausherr, der sich den Künstlernamen „Kinzi von Bartenstein“ gegeben hat („meine Urgroßmutter war eine von Bartenstein“), hat diese Wesen geschaffen. Eine Reminiszenz an „Mikesch“, den Kater, der ihnen 1994 zugelaufen ist. Schmidt kreiert seine Skulpturen aus Holz, Schrott und ausgedienten Alltagsgegenständen. Aus alten Schusterleisten, Auspuffrohren, ausrangierten Fahrrädern, Musikinstrumenten, Kohlenkästen, Rädern und Reifen werden mit viel Fantasie und handwerklichem Können plötzlich völlig neue „Lebewesen“. Nicht nur Katzen. Aus einem Motorradtank, einem Mofa-Rahmen und einer Schöpfkelle ist ein wundersamer Vogel entstanden. Aus einer Ansammlung leerer Sauerkraut-Dosen wurde eine bizarre Eule, das zweite Lieblingstier des Tüftlers. Aus einer Auspuffanlage und mit Beton ausgegossenen Gummihandschuhen wurde ein Fisch, der Menschen angelt. Holzschuhspanner dienen als Basis für fantastische „Paradiesvögel“. Einen „Pfau“, den Horst Schmidt u.a. aus Stahlfedern und einer Fahrradfelge konstruiert hat, veredelte Gattin Mechthild kunstvoll mit farbigem Glas. Der Garten wirkt wie ein Ausschnitt aus einem der Wimmelbilder, die Kinder so lieben. Man hat nie das Gefühl, wirklich schon alles gesehen und entdeckt zu haben.
Die Spuren von Mechthild Schmidts künstlerischem Wirken finden sich im Garten in Gestalt vereinzelter Windspiele oder Glasakzente bei den Skulpturen. Ihr Medium ist farbiges Glas. „Mich fasziniert es, aus diesem an sich starren Material filigrane Dinge zu schaffen. Was sie damit meint, sieht man vor allem im Haus. Da gibt es aufwändig aus Glasperlen und -stiften gestaltete Schmetterlinge sowie unzählige bunte Windspiele und Fensterbilder in Tiffany-Technik. Ihre Arbeiten verkauft sie u.a. auf Handwerksmärkten in der Region. Aber es gibt bei den Schmidts noch viel mehr zu entdecken. Viel, viel mehr. Z.B. Bilder und Zeichnungen. Farbenprächtige Aquarelle und Kreidezeichnungen sind dabei. Natürlich auch wieder die beliebten Katzen- und Eulen-Motive. Es gibt aber auch zahlreiche monochrome Arbeiten, konstruktivistisch mit Schablone und feinem Tuschestrich gezeichnet - eine Spezialität von Horst Schmidt, der von sich behauptet, mit freier Malerei nichts am Hut zu haben. Eine mit Farbkreide schwungvoll ins Szene gesetzte Katze, die laut Schmidt wie Tina Turner aussieht (ja, man sieht tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit), beweist das Gegenteil. Ergänzt wird das Ensemble durch unzählige Fotos, die der Hausherr akribisch beschriftet hat und die meist das Ehepaar oder die ganze Familie zeigen. Und immer wieder stößt man auf kleine Bastelarbeiten, mit denen Horst Schmidt - meist mit dem ihm typischen Augenzwinkern - die große Liebe zu seinem „Mädsche“, wie er seine Frau Mechthild auf Hessisch nennt, bekundet. Zum 54. Hochzeitstag, den die beiden vor wenigen Tagen feierten, hat er ihr eine kleine Skulptur aus Holz und Metall gebastelt. Darauf steht: „Alte Liebe rostet nicht“, gefolgt von einer längeren Liebeserklärung. Das Haus der Schmidts ist Künstlergalerie und -werkstatt, ein bisschen Villa Kunterbunt, ein kreativer Paukenschlag und ein Erlebnis, wenn man es besichtigen darf. „Mit unserem kleinen Häuschen und dem Leben, das wir hier führen, haben wir uns einen Traum erfüllt“, sagen die beiden. Bereut hätten sie den Umzug von der Großstadt aufs Land nicht einen Tag. „Wir sind sehr glücklich hier, in unserer Arche Noah.“