Das Herz von Christian Geyer schlägt für die Teuschnitz-Aue und Charolais-Rinder. Nachhaltigkeit und artgerechte Tierhaltung sind ihm ein großes Anliegen.

Sie heißen Hilde, Gudrun, Babette, Sarah und Clodette - und sind bildhübsch. Sie scheinen das Fotoshooting zu genießen, sind kein bisschen scheu, posen in der Sonne, blicken mit ihren großen Augen, die gerahmt sind von beneidenswert langen Wimpern in die Kamera. Dann ruft Christian Geyer nach Bambi. Wer beim Namen „Bambi“ nun an ein zartes, rehbeiniges Wesen denkt, liegt falsch. Der Fotografin stockt für einen Moment der Atem, als sich aufs Wort ganze 1.300 Kilo Lebendgewicht mit Hörnern relativ zügig auf sie zubewegen. Bambi ist ein Bild von einem Charolais-Bullen: mit cremeweißem Fell und Horn, fast zwei Metern Rumpflänge und zweieinhalb Metern Brustumfang. Eine imposante Erscheinung. Die fünf hübschen Kühe, mit denen Bambi zusammenlebt, bringen es je auf ca. 800 bis 900 Kilo. „Keine Sorge, Bambi will nur schmusen“, erklärt Landwirt Christian Geyer und krault dem massigen Bullen den Rücken. Über eine Tonne Tier räkelt sich wohlig. Sobald der Landwirt aufhört, stupst ihn der Bulle an und bringt seinen riesigen Leib in Position, um Christian Geyer zu zeigen, dass und auch wo das Krabbeln noch weitergehen muss. Die kleine Herde, zu der noch vier Kälber gehören, sind sein ganzer Stolz. Zu recht, denn Charolais-Rinder sind nicht nur ungewöhnlich hübsch, sie sind auch in Nordbayern selten anzutreffen. Die Weiden des Frankenwalds sind nicht unbedingt geeignet für die ursprünglich aus der französischen Region Charolais-Brionnais (Saône & Loire) stammenden Tiere. Anders in der Teuschnitz-Aue. Hier haben sie offensichtlich ein ideales Habitat gefunden - und mit Christian Geyer einen Halter, dem das Wohl seiner Charolais-Rinder über alles geht.

Bereits mit 16 hat der heute 28jährige den Hof seiner Eltern in Teuschnitz übernommen. Ganz gegen den Trend von Landflucht und Abwanderung in die Ballungszentren hat er sich - anders als viele andere Sprößlinge aus landwirtschaftlichen Betrieben - für die heimische Scholle entschieden. „Ich habe mir nie vorstellen können, wegzugehen, in die Stadt zu ziehen und etwas ganz anderes zu machen“, sagt er. „Schon als Kind bin ich mit Leidenschaft in den Stall und hab, morgens um fünf, also vor der Schule, die Tiere versorgt, oder hab bei anderen Landwirten ausgeholfen.“ Die Großeltern waren noch hauptberufliche Landwirte, der Vater führte den Betrieb bereits im Nebenerwerb. Auch Christian Geyer ist Nebenerwerbs-Landwirt. Hauptberuflich arbeitet er als Industriemechaniker in Ludwigsstadt. Damals, als sein Vater den Hof mit den Milchkühen aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, da war für Christian Geyer sofort klar, dass er den Betrieb weiterführen würde. „Meine Firma, Kollegen und Freunde unterstützen mich sehr. Denn die Arbeit auf dem Hof und die Tiere - das ist ein Job, der rund um die Uhr geht. Aber es gibt immer jemanden, der mal nach dem Rechten sieht, die Tiere füttert oder sonst mit anpackt. Gegenseitige Hilfe wird bei uns groß geschrieben.“

Der junge Landwirt wirft einen langen Blick auf die Teuschnitz-Aue, das einzigartige Biotop, mit der enormen Artenvielfalt wo es neben der Arnika noch 50 andere Heilkräuter gibt. Er blickt auf die sanft hügelige Frankenwaldlandschaft, die an diesem sonnigen Tag besonders lieblich aussieht, und auf seine weißen Rinder. Eine Szene, wie aus dem Bilderbuch. „Das ist derartig schön. Ich würde niemals woanders leben wollen.“ So sieht das wohl auch seine Lebensgefährtin, die demnächst vom Oden- in den Frankenwald ziehen wird. „Sie liebt die Landschaft und die Tiere wie ich.“ Gemeinsam wollen sie den Hof ausbauen, vielleicht noch Pferde anschaffen.

Von April bis Oktober stehen Bambi und sein kleiner Harem draußen auf der Weide. 20 Hektar Land mitten in der Teuschnitz-Aue haben sie zum Grasen. „Die Rinder bekommen ausschließlich das krautige Arnikaheu und als Ergänzung Grassilage. Hier ist alles bio. Chemie kommt nicht in Frage.“ Mais oder anderes gedüngtes bzw. chemisch behandeltes Futter lehnt Christian Geyer ebenso kategorisch ab wie Massentierhaltung, Ausbeutung und lange Transporte. „Bei mir werden die Tiere artgerecht gehalten.“

Einmal seien ihm zwei seiner Rinder ausgebüxt. „Manchmal bekommen sie etwas Schrot aus einem weißen Eimer, das mögen sie ganz besonders. Auf den sind sie richtig fixiert. Als die Ausreißer den weißen Eimer gesehen haben, dann sind sie gleich hinter mir auf die Weide zurückgelaufen.“ Christian Geyer: „Charolais-Rinder sind außergewöhnlich zutraulich, ruhig und ausgeglichen. Den Nasenring trägt Bambi nur, weil es Pflicht ist. Als er als Jungtier zu mir kam, habe ich ihn jeden Tag an der Leine herumgeführt. Das schafft Bindung. Heute folgt er - ohne Halfter und ohne Griff am Nasenring - aufs Wort, fast wie ein Hund.“

Christian Geyer trägt ein dunkelblaues Polo-Shirt mit einem schicken weißen Aufdruck in dessen Mitte das Konterfei von Bambi zu sehen ist. Quasi ein Fan-Shirt, das sich er und seine Freunde für eine gemeinsame Fahrt zu einer Landwirtschaftsmesse haben anfertigen lassen. „Das ist Leidenschaft. Für mich stand fest, dass ich wieder Tiere anschaffen würde, wenn ich den Hof übernehme. Und dass es diese Charolais-Rinder sein würden, stand auch fest.“ Bis nach Passau sei er gefahren, um sich diejenigen Exemplare auszusuchen, so wie Bambi, die für die Zucht die besten genetischen Eigenschaften aufweisen. „Noch ist das alles Hobby. Ich verdiene nichts damit. Die Herde soll erstmal wachsen.“ 15 Mutterkühe, das wäre das erste Etappenziel auf dem Weg zum Zuchtbetrieb, so Geyer. Im nächsten Jahr will er einen Freilauf-Stall bauen. „Dann steht auch der Bio-Zertifizierung nichts mehr im Weg.“  

Französische Ritter brachten sie mit
Der Legende nach haben französische Ritter zur Zeit der Kreuzzüge das schöne weiße Rind mit sich geführt. So sollen Charolais-Rinder schon früh mit ihrer Eleganz "alle Weiden der Welt" erobert haben. Ab dem 18. Jahrhundert wurden die Charolais vermehrt als Arbeits- und Fleischrasse gezüchtet. Ursprünglich aus einem Zweig der Jura-Rinder stammend wurden sie 1770 hauptsächlich im französischen Charolais-Brionnais gehalten. Das Dörfchen Charolles hat dem kräftigen Tier dort übrigens ein eigenes  Museum gewidmet, das Maison Charlolais. 1959 kamen die ersten Rinder nach Deutschland. Typische Merkmale sind das weiße Fell und Horn sowie die kräftige Statur mit einem vergleichsweise kleinen Kopf.