Der Tod hat viele Facetten
Pfarrer Joachim Lindner lud zur musikalisch-literarischen Reise über Tod in allen Facetten. Musikalisch begleitet wurden die tiefgründigen Texte von der Gruppe Cantate Nova mit Liedern, die Trost und Halt schenken möchten.
„So spricht der Tod: Die Welt ist mein“ – Erfreulich viele Gläubige wollten dem Pfarrer an diesem warmen Spätsommerabend vor der Trauerhalle der Teuschnitzer Pfarrkirche auf seinem gedanklichen Spaziergang zu den Themen Tod, Sterben und Vergänglichkeit begleiten. Gleich vornweg: Es sollte für diese ein außergewöhnliches Erlebnis in einer ganz besonderen Atmosphäre werden – ein meditativer Abend, der so gar nicht in ein gängiges Klischee passen wollte und irgendwo zwischen allen Gattungen lag. „Es ist auch keine fromme Andacht“ - Das hatte der dem Anlass entsprechend ganz in Schwarz und mit einem Hut bekleidete Pfarrer Joachim Lindner eingangs betont. Für manche Fragen gibt es eben keine allgemeingültigen Antworten – ebenso wenig wie auf die wohl größte Frage der Menschen, die sie ein Leben lang beschäftigt: Was ist der Tod und was kommt danach?
Es war ein stiller, immer bewegender Abend, eine zärtliche Annäherung an das Thema mit meditativem Charakter und einem wohltuenden inhaltlichen Tiefgang. Das schaffte der Pfarrer vor allem dadurch, dass er nicht plakativ Antworten auf diese Fragen offenbarte, sondern stattdessen Anregungen zum Nachdenken lieferte: „Der Tod hat viele Gesichter, er kennt viele Namen“, so der Pfarrer, der seine literarischen Kostbarkeiten wunderbar unaufdringlich - zurückhaltend, aber doch intensiv - vortrug und dabei auf offene Augen und Herzen seiner Zuhörer stieß. Zu unserer persönlichen Lebensgeschichte gehöre auch Sterben und Tod – todsicher! Der Tod lasse sich nichts vorschreiben. Er setze den Punkt. Er nehme auch keine Rücksicht auf unsere Lebenspläne. Er komme zu uns - unangemeldet, oftmals unerwartet und überraschend, viel zu früh. Er treffe Menschen in den besten Jahren oder nach einem erfüllten Leben, durch einen Unfall, eine Krankheit, ein Verbrechen vielleicht auch Suizid: „Der Tod hat viele Facetten“. Bewusst habe er - so der Pfarrer - die Trauerhalle als den für den Anlass passenden Ort ausgesucht – als Ort der Trauer und des Abschiednehmens, aber auch als den Ort, an dem in der Osternacht das österliche Feuer entzündet werde. Ein Ort, an dem einem die eigene Sterblichkeit bewusst werde – an dem man seinen Gefühlen freien Lauf lassen könne, aber an dem auch das österliche Licht der Auferstehung leuchte.
Zwischen den Texten ließ der Pfarrer den Zuhörern Zeit, das Gehörte wirken zu lassen und sich darüber eigene Gedanken zu machen. Hier trat Cantate Nova in Erscheinung – mit sehr stimmigen, thematisch passenden Liedbeiträgen - teils zusammen mit der Gemeinde, teils alleine. Es war Musik für Herz und Seele: Lieder, die ihr Publikum in sich aufsaugten. Lieder, die Emotionen weckten, von Kraft und Hoffnung zeugten – und die Trost spendeten. In ihr fanden Stimmungen und Gefühle ihren Ausdruck - in Momenten, in denen die Worte fehlen, in denen man von Wehmut und Schmerz übermannt wird.
Bis man den „letzten Tod“ sterbe, gebe es viele kleine Tode in unserem Leben – wenn Gefühle abstürben, wenn eine Freundschaft in die Brüche gehe, wenn man mit den Augen Ängste sähe. Und auch unsere Sprache nehme den Tod beim „Wort“: jemand ist für einen gestorben, jemanden mundtot machen, etwas tot schweigen, jemanden erledigen oder kalt stellen oder auch über Leichen gehen. „Der Tod steht für uns auf der Tagesordnung. Tausendfacher Tod wird täglich vermeldet. Doch das erschreckt uns kaum noch. Das ist für uns mittlerweile Routine“, zeigte sich der Pfarrer sicher. Von Flugzeugabstürzen, Kriegen oder Völkermorden ließen wir uns nicht mehr den Appetit verderben – erst dann, wenn der Tod uns nahe komme, wenn jemand aus unserer Mitte unerwartet aus dem Leben gerissen werde. Mit Tröstungen seien wir dann aber schnell bei der Hand: Die Menschen sollten sich zusammenreißen. Die Zeit heile alle Wunden. Man solle es nicht so tragisch nehmen. Es hätte noch schlimmer kommen können. Man solle nach vorne schauen – Floskeln, die mehr verletzten als hülfen, denn eines ist sicher: Nach einem Todesfall nehme das Leben nie mehr den gewohnten Lauf.
Das Leben ist vergänglich. Spätestens wenn einem selbst irgendwann die Stunde schlage, werde man zu einer Auseinandersetzung damit gezwungen, auch wenn man sich noch so sehr bemühe, das Sterben aus seinen Gedanken zu verbannen. Das Wissen darum berge aber auch positive Seiten – nämlich die Erkenntnis, dass jede Stunde kostbar und unsere Lebenszeit wertvoll sei. „Der Tod mahnt uns, das Leben nicht aufzuschieben, nicht zu warten“, appellierte der Pfarrer. Man lebe jetzt und hier. Keine Minute sei wiederbringbar.
„Warum leben wir, warum müssen wir sterben?“ – Die Fragen müsse jeder für sich beantworten. Seit über 2000 Jahren verließen sich dabei die Menschen auf das Zeugnis, dass Gott auferstanden sei und wir ihm in sein Himmelreich nachfolgten. Damit stehe und falle unser Glaube. Dies war die Botschaft dieser eigenwilligen Auseinandersetzung mit dem Tod. Selten wurde dieses wichtige Thema so vielseitig, lebensnah, umfassend und gleichzeitig so tief berührend - eben mit allen dazugehörigen Facetten- beleuchtet. So geriet die Stunde über den Tod gleichzeitig zur Hommage an das Leben: Ein starkes Ende eines starken Abends!
„Der Toten in Würde gedenken und Trauernde trösten“
Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte kleiden, Kranke pflegen, Gefangene besuchen, Tote bestatten - Das Christentum unterscheidet sieben Werke der Barmherzigkeit, die Beispiele für Hilfeleistungen benennen. Vom 8. Dezember 2015 bis 20. November 2016 findet das von Papst Franziskus ausgerufene „Heilige Jahr der Barmherzigkeit" statt, fußend auf dem Matthäus-Evangelium über das Weltgericht (Mt 25,34-46). Im Laufe dieses Jahres setzt Pfarrer Joachim Lindner diese Werke der Barmherzigkeit mit verschiedenen, durchaus auch unkonventionellen Aktionen um. Hierzu zählte auch dieser Abend, nämlich mit dem Werk „Der Toten in Würde gedenken und Trauernde trösten“.